In der Sprachwissenschaft werden Vokale über die Beziehung unserer Artikulatoren (Kiefer, Lippen, Zunge) zueinander beschrieben. In vokalspezifischen Tonbereichen (Formanten) drücken sich der Grad der Kieferöffnung, Lippenrundung und Zungenhebung und -position aus. Darüber hinaus allerdings stellen Vokale in ihrer räumlichen Dimension vor allem eine Gestaltung der oberen Atemwege bzw. des Vokaltrakts dar. An ihrer Artikulation beteiligen sich also auch Gaumensegel, Rachenwand und weitere Strukturen der Kehlkopfaufhängung. Damit definieren sie Länge und Durchmesser des Vokaltrakts und somit seine akustischen Eigenschaften. Allein schon aufgrund der Tatsache, dass die Räumlichkeiten oberhalb der Stimmlippen als Resonanzkörper ein für sich zu verstärkendes "Ausgangsmaterial" an zu verstärkenden Teiltönen im Primärschall bedürfen, legt eine akustisch-funktionelle Beziehung zwischen Stimmlippen (Oszillator) und Vokaltrakt (Resonator) nahe.

 

Nun ist der Kehlkopf in seiner Lage und Entfaltung durch die Form des Vokaltrakts beim Sprechen und Singen beeinflusst wird. Ist bei einem flexiblen und faltbaren Knorpelgerüst nicht auch von einer Definierung der biomechanischen, funktionellen Möglich- und Unmöglichkeiten des Kehlkopfes auszugehen? Wenden wir uns beispielsweise der Qualität der Kieferöffnung und Lippenrundung in einer Einatmung zu und lassen die Zunge sich heben und wölben, so geben die Kehlkopfheber nach und der Kehlkopf senkt sich. Bei zunehmender Einatemtiefe nimmt seine Senkung durch den Zug der Luftröhre (trachealer Zug) weiterhin zu. Damit können wir allein durch die Gestaltung des Vokaltrakts die funktionellen Möglichkeiten des Stimmeinsatzes vordefinieren ("präphonatorisches Tuning"). Die Einsatzform definiert desweiteren den Schwingungsablauf der Stimmlippen. In Bezug zur Tonhöhe, Lautstärke oder Klangfarbe lassen sich Vokale bewusst und gezielt einsetzen, um registerspezifische Eigenschaften anzusprechen oder stimmtherapeutisch nutzbar zu machen.