Textur als erster Parameter der Stimmklangbeschreibung

*Disclaimer: Die inhaltlichen Schilderungen beziehen sich überwiegend auf Ulrike Sowodnioks Schilderungen aus Ihrem Buch "Stimmklang und Freiheit" (S. 130)

Lamina superficialis

Lockere, ungeordente Elastinfasern und eine gallertige interstitielle Flüssigkeit definieren die Lamina Superficialis. Im nicht dehydrierten oder geschwollenen Zustand schwirrt sie hell und flirrend-wässrig.

Lamina intermedia

Die Lamina intermedia stellt den mittleren, elastischen Stimmbandteil da. Nach Sowodniok definiert sie die eigentliche Dehnbarkeit der Stimmlippe - sofern es sich nicht um eine einseitige Längendehnung sondern eine Volumendehnung in der Schwingungsamplitude handelt.

Lamina profundis

Ihre Verklanglichung alleine ist rauer und matter, als die der anderen äußeren Schichten. Sowodniok beschreibt, wie der Klang von rauh über mehlig (einer weinerlichen Stimme ähnelnd) übergehen kann, bis sie den Vokalismuskel in völliger Transparenz in volle Schwingung versetzt.

 

Als Stimmlippenfaszie erfüllt sie im Zusammespiel mit den restlichen Körperfaszien der Diaphragmenkette grundlegende Koordinierungsfunktionen. Sie umspannt als straffes Netz kollagener Fasern den musculus vocalis. Ausgestattet mit Mechanorezeptoren für Berührung leitet sie Schwingungsinformationen aus der schwirrenden Oberfläche direkt zu den Sensorien des Muskels.

 

An dieser stellt befindet sich die Schnittstelle von Intersensus und Transsensus.

Conus elasticus

Die schrundig verdickte Unterseite der Stimmlippe gleich schwieligen Händen. Wird sie aus ihrer Aufgabe befreit, den körperinneren Druck abzufangen und verklanglicht, gleicht dies einem "Deicheinbruch" von der Oberfläche in die Tiefe des Gewebes. Das dadurch bedingte Verschmelzen von Luftröhre und Stimmlippen zu einer Funktionseinheit ist mit einer äusgeprägten Körperresonanz in allen Lagen assoziiert.

 

Musculus vocalis

Laryngeales Korrelat des Transsensus ist der stimmlippeninterne musculus vocalis. Im menschlichen Körper soll sein oberflächlicher Anteil die größte Dichte an Muskelspindeln enthalten. Für sie dient Schwingung informatorisch als subtiles Dehnungsspiel. Seine hohe Verformungsautonomie wird durch eine Vielzahl motorischer Endplattendehnungssensibler Rezeptoren* und eine zopfartige Muskelstruktur gewährleistet

 

Klanglich äußert sich das Eindringen der Schleimhautschwingung in die Tiefe der Stimmlippe und deren Muskel durch Strömungsstrudel, Schlingern und Turbulenzen im Klang.

musculus cricothyroideus

Durch eine Balancierfunktion auf Schildknorpel und Ringknorpel wird die binnenmuskuläre Verformungsautonomie des Vokalis unterstützt.



* Die existierende Literatur bezüglich des Vorkommens von Muskelspindeln innerhalb der Kehlkopfmuskulatur ist bis heute widersprüchlich. Wyke (1974) geht hier von einer geringen Anzahl an Muskelspindeln aus. Dafür soll eine Vielzahl spiraliger Nervenendingugen vorhanden sein, deren Struktur und Verteilung sie als Mechanorezeptoren für passive Dehnung qualifizieren. Sanders et al. (1998) konstatieren die höchste, für einen menschlichen Muskel bekannte, Verteilungsdichte an Muskelspindeln im (vor allem oberen) vocalis. Die letzten mir bekannten Untersuchungen von Brandon et al. (2004) widersprechen diesen Ergebnissen vollumfänglich. Keine einzige muskelspindelartige Struktur konnten sie ausmachen. Für sie scheint es dennoch notwendig anzunehmen, dass der vocalis nicht näher bekannte "spindel-artige" Rezeptoren und Afferenzen verfügt, die die Koordination komplexer Kehlkopfaktivitäten überhaupt gewährleisten. Nach derzeitigem Stand scheint nur die interarytaenoide Muskulatur gesichert mit Muskelspindeln ausgestattet zu sein (siehe Ludlow, 2005).


  • Quellen:
  1. Sowodniok, Ulrike (2013): Stimmklang und Freiheit. Zur auditiven Wissenschaft des Körpers, 1. Auflage, Bielefeld: transcript Verlag.
  2. Wyke B. D. (1974): Laryngeal myotatic reflexes and phonation. Folia phoniat.; 26:249-264
  3. Brandon et al. (2004): Staining of Human Thyroarytenoid Muscle with Myosin Antibodies Reveals Some Unique Extrafusal Fibers, but no Muscle Spindles
  4. Christy L. Ludlow  (2005): Central nervous system control of the laryngeal muscles in humans in Respir Physiol Neurobiol.; 147(2-3): 205–222.